Relevanz ist alles

Nicht immer ist das, was für Kundinnen und Kunden relevant ist, fürs Unternehmen auch differenzierend und umgekehrt. Die hohe Kunst liegt darin, beides zu verbinden. Wir nennen das: Branded Service Design.

Wer kennt es nicht: Das Coffee-Shop Dilemma. Wähle ich den mit dem besten Kaffee, mit der angenehmsten Atmosphäre oder den, der gerade da ist? Vielleicht bestimmt meine Wahl auch, dass ich mit der Marke bestimmte Emotionen verbinde oder dass ich mich an einem Ort fremd fühle und etwas Bekanntes suche. Allgemein gesagt geht es also um die Frage: Wie wird ein Anbieter im richtigen Moment für Kundinnen und Kunden relevant? Und was ist überhaupt relevant? Mit Branding und Marketing auf der einen Seite und Service Design und Customer Experience auf der anderen Seite stehen uns zwei Praktiken zur Verfügung, die beide Antworten versprechen, aber nicht unabhängig voneinander erfolgreich sein können.

Branding und Marketing: Differenzierung um jeden Preis

Vereinfacht gesagt will Branding und Marketing vor allem Unterschiedlichkeit betonen und Emotionen wecken. Es dreht sich alles um die Frage, was machen wir anders, welches bislang unbestellte Feld besetzten wir, wie erzeugen wir Begeisterung, ja sogar von Liebe zum Brand ist oft die Rede. Aber ist das auch relevant für die Kundinnen und Kunden? Wollen die tatsächlich etwas Einzigartiges – oder einfach etwas Richtiges? Sehr deutlich wird das beim Auftritt von Krankenkassen. Zum einen stehen sie mit einem austauschbaren Produkt im harten Wettbewerb. Zum anderen erfüllen sie ganz elementare Grundbedürfnisse. In ihrer Kommunikation versuchen sie durch die Marke, ihr Angebot emotional aufzuladen. Zum Beispiel mit behaupteter Besorgtheit oder einem Preisversprechen. Aber warum soll uns etwas begeistern, das vor allem einfach funktionieren soll, wenn wir es brauchen? Auch Telekom-Unternehmen, Banken und viele andere suchen krampfhaft nach Unterschiedlichkeit, wenn simples Funktionieren schon schwierig ist.

Service Design und Customer Experience: Bedürfniserfüllung bis zur Austauschbarkeit

Service Design und Customer Experience hingegen nehmen für sich in Anspruch, die wahren Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu verstehen und zu bedienen. Aber auch da lauert ein Dilemma: Wie priorisieren wir, wenn wir unmöglich jeder Kundin und jedem Kunden das perfekte Erlebnis bieten können? Wen bevorzugen wir, wenn wir mehrere Anspruchsgruppen bedienen müssen? Und wie heben wir uns ab, wenn alle Unternehmen ähnlich gute Services bieten? Auch hier sind Krankenkassen ein gutes Beispiel: Dort, wo sie tatsächlich mit Kundinnen und Kunden in Berührung kommen und Leistung erbringen, machen sie vieles richtig. Aber eben auch vieles sehr ähnlich. Die digitalen Kundenportale der Anbieter sind in ihrer Funktionalität nahezu identisch. Der Rechnungsupload blieb nur für kurze Zeit innovativ, heute ist er Standard. Kundenportale unterscheiden sich dann nur noch in Design und Logo, die durch Werbung aufgeladen relevante Differenzierung versprechen, aber nicht liefern.

Was tun: Differenzierung relevant und Relevanz einzigartig gestalten

Es braucht einen etwas genaueren Blick darauf, welche Grundbedürfnisse zu bedienen sind, was begeistert und erinnert wird, um dann priorisieren zu können. Branding und Service Design können sich darin gegenseitig unterstützen und voneinander lernen. Diesen Ansatz nennen wir «Branded Service Design». Dabei geht es nicht darum, Services einfach zu branden, sondern sie so zu gestalten, dass sie auch der Marke mit all ihren Ansprüchen und Facetten gerecht wird und sie in ihrer Positionierung stärken. Dazu gibt es ein paar Tools, die uns, dabei helfen können, Services und Initiativen besser auf ihre potenzielle Wirkung zu evaluieren und sie dann zu priorisieren.

Mit Tools wie dem Kano-Modell können Unternehmen beispielsweise analysieren, welche Service-Merkmale die Kundenzufriedenheit beeinflussen. Es veranschaulicht sehr schön, wie Bedürfnisse aufeinander aufbauen, und dass es schwer ist, jemanden für etwas zu begeistern, wenn die Grundanforderungen an ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht erfüllt sind. Problematisch an dem Modell ist, dass es nur eine Wirkungsdimension kennt – die der Kundenbefriedigung. Und es auch davon ausgeht, dass Kundinnen und Kunden nur eine emotionale Achse haben, nämlich die zwischen Frustration und Begeisterung. Andere Dimensionen sind nicht darstellbar. Relevanz zum Beispiel. Oder Inklusivität.

Ein weiteres hilfreiches Modell ist das Desirability, Viability und Feasibility Modell von IDEO, das bewertet, ob zum Beispiel ein Service für Kundinnen und Kunden begehrenswert, für das Unternehmen erstrebenswert und machbar ist. Allerdings gibt es hier nur in oder out. Abstufungen sind nicht möglich und das erschwert die Priorisierung. Ausserdem berücksichtigt auch dieses Modell nur das Begehren als Emotion – andere Attribute wie Einfachheit oder Sicherheit sind nicht abbildbar.

Einen interessanteren Ansatz bietet das WREN Wheel, weil es mehrdimensional ist und über die reine Kundenzufriedenheit hinaus geht. WREN steht für Workable, Responsible, Equitable sowie Needs driven. Das Modell ermöglicht dank mehrerer Kriterien nicht nur eine differenziertere Evaluation, sondern berücksichtigt auch deren Ausprägung. Wenn es dann darum geht, Handlungsoptionen im Hinblick auf einen zukünftigen Zustand zu priorisieren, hilft die Markenperspektive: Was müssen wir tun, damit ein Service den Markenwerten eines Unternehmens entspricht und sie fördert? Diese Massnahmen sollten priorisiert werden. Das ermöglicht es, die beiden Perspektiven «Branding» und «Service Design» zusammenzubringen. Auf diese Weise fördert das Tool eine strukturierte und differenzierte Diskussion in Teams, die sich mit Services und Marke beschäftigen.

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